Er hat mich geschlagen – Mache nicht denselben Fehler wie ich

"Er hat mich geschlagen." - Ich konnte es nicht fassen.

Es ist ein Schock:
Dein Partner erhebt die Hand gegen dich und schlägt zu. 

Du stehst völlig unter Panik. Du bist wie gelähmt und hast (Todes-)Angst. Für dich bricht eine Welt zusammen.

Ich weiß genau wie du dich fühlst und es ist mir wichtig, dass du es weißt: Du bist damit nicht allein.

Hier erfährst du, warum ich mich trotz der körperlichen Gewalt nicht getrennt habe und warum das mein größter Fehler war. 

1. Der erste Schock - Warum er mich geschlagen hat

Robert und ich kannten uns zu diesem Zeitpunkt ca. 6 Monate.
Davon waren wir 4 Monate zusammen.

Es gab mal wieder Vorwürfe.

Der Grund war wie so oft: Ich habe mich nicht sofort gemeldet, als er mir in WhatsApp geschrieben hatte.
In seinen Augen musste ich musste ständig und sofort für ihn erreichbar sein.

Ich ging nachmittags zu Robert und musste mir wieder Vorwürfe anhören. Dass ich einen zweiten Freund hätte, mich mit anderen Männern treffen würde und und und. (Er hat schlechte Erfahrungen mit seiner Exfrau gemacht).

Ich versuchte ihm klarzumachen, dass er keine Angst zu haben braucht und ich keinen anderen Freund nebenher habe. Aber er verdrehte alles. Robert wurde wütend.

Und plötzlich, von ein auf die andere Sekunde - brach meine Welt zusammen. Er hat mich geschlagen.

Ich war so geschockt. Ich konnte nicht reagieren, ich konnte nicht fassen, was in dem Moment geschah. Nie hätte ich gedacht, dass mir einmal so etwas passiert.

Ein paar Jahre zuvor sagte ich mir noch: "Mir wird so etwas nie passieren. Und wenn ein Mann auch nur einmal die Hand gegen mich erhebt, ich bin sofort weg!"

Aber ich konnte nicht gehen. 
Robert entschuldigte sich. Er sagte, dass es ihm leidtut. Und danach verhielt er sich so, als sei nichts gewesen.

"Naja kann ja mal passieren.", sagte ich mir innerlich. "Es war bestimmt nur dieses Mal und wird nie wieder vorkommen. Schließlich benimmt er sich mir gegenüber wieder "normal".

Doch dabei blieb es nicht.


Seine Drohungen musste ich mir nicht nur einmal anhören:

"Hör auf zu schreien, sei leise oder es tut noch mehr weh!"

2. Es wurde noch schlimmer

Ich hatte immer das Gefühl, dass diese Beziehung nicht einfach wird. Aber ich glaubte an das Gute:

"Ich muss ihn heilen, damit es ihm besser geht. Der arme hat soviel mit seiner Ex durchgemacht. Und dann wird es in unserer Beziehung perfekt laufen. Schließlich hatten wir zu Beginn unseres Kennenlernens dieselben Vorstellungen und ich fühlte mich wohl bei ihm."

Innerhalb dieser 4 Monate, in denen wir zusammen gewesen sind, war es ziemlich oft so, dass er mich nicht beachtete, wenn ich zu ihm gegangen bin.

Damals wusste ich nicht, warum er so ist. Heute weiß ich, es handelt sich dabei um Silent Treatment Narzissmus.

Ich habe mich in seiner Nähe ständig unwohl gefühlt. Er gab mir das Gefühl dazu. Und trotzdem wollte ich alles dafür tun, damit es Robert gut ging. Mein Wille war es ihn zu überzeugen, dass er erkennt, dass ich nur das Beste für ihn möchte. Und meine Hoffnung war, dass er mich eines Tages wertschätzen wird.

"Das wird schon. Ich muss es nur noch eine Weile aushalten. Und dann wird er sich ändern."

Doch es wurde noch schlimmer.

Robert schlug mich.

Wenn du von deinem Partner ebenfalls körperliche Gewalt erfahren hast, weißt du, wie schrecklich es sich anfühlt.
Das schlimmste sind aber nicht die körperlichen Schmerzen. Das schlimmste ist, dass es uns Betroffene innerlich zerreißt. Schließlich ist es der eigene Partner, der normalerweise die engste Vertrauensperson sein sollte.

Jedes Mal entschuldigte er sich. Aber es passierte immer wieder. Es gab Situationen, in denen ich dachte, er würde mich ersticken. 

Mit Gewalt schlug er mich gegen die Tür und griff mit einer Hand an meinen Hals. Ich hatte eine solche Angst. Er verbot es mir zu schreien. "Sei still oder ich mache weiter! Die Nachbarn hören uns sonst!"

Die Türen knallten, und ich wurde mit einer Wucht auf den Boden geschubst.
Er hat mich geschubst. Und das nicht nur einmal. 

Einmal hat er mich mit vollem Schwung auf die Couch geschubst, sodass ich mich kopfüber überschlagen und mit dem Gesicht beinahe gegen die spitzige Kante der Glasplatte des Tisches gefallen bin. Es haben vielleicht 2 cm gefehlt (Ich bin Gott heute noch über diese 2 cm dankbar).

Ich prallte mit voller Wucht auf den Boden. Und konnte mich nicht bewegen, mein Genick tat fürchterlich weh. Auch meinen Kopf konnte ich nicht bewegen. Ich fühlte mich wie gelähmt. In mir hatte ich Bilder im Kopf, dass ich nie wieder meinen Kopf drehen kann.

Ich hatte eine solche Angst. Es tat fürchterlich weh.
Robert schrie mich an, dass ich sofort aufstehen soll. Ich stand so unter Schock und habe ihm gehorcht. Obwohl alles in mir schmerzte.

Ich kann heute noch immer nicht sagen, woher ich die Kraft hatte und es geschafft habe aufzustehen. Wahrscheinlich war es das Adrenalin.

In mir schoss ein Gedanke durch den Kopf: "Nicht einmal jetzt hat mir mein Freund mir beim Aufstehen geholfen."

Ich vermute, es war die Angst vor Robert, die größer war und auf die ich mehr Acht gab als auf meine fürchterlichen Schmerzen. Die Panik war da, dass in wenigen Sekunden ein nächster Gewaltausbruch seinerseits kommt.

Robert gab mir die Schuld, dafür, dass es passiert ist.
"Ich wollte dich nur ein bisschen schubsen. Ich kann doch nicht wissen, dass du gleich kopfüber über die Couch rollst..."

Dann tat er so, als sei er der Unschuldige. Und er sagte, dass es meine Verantwortung ist, auf mich selbst aufzupassen, wenn er mich "leicht" schubst.

Ich habe mich so elend gefühlt.

Wie sehr hatte ich mir gewünscht, dass er mich zu einem Arzt bringt. Aber Robert bedrohte mich. Ich konnte nicht mehr. 

Ich weinte, es tat alles weh. Doch Robert verbot es mir zu weinen. Und wurde wieder laut. Ich bekam erneut Angst, dass noch etwas passiert. Und so schluckte ich alles herunter und versuchte mich irgendwie zu beruhigen und still zu sein.

Heute glaube ich, dass Gott einen Schutzengel in diesen Sekunden geschickt hat, um mich davor zu bewahren, dass ich mit dem Kopf an die Glasplatte stoße.

Und mir ist klar, warum mein Freund mir verboten hat, zu weinen oder zu schreien. Die Nachbarn könnten es ja hören. Schließlich wollte er vor ihnen immer glänzen.

Ich kann dir nur raten: Schreie! Schreie um Hilfe! So laut du kannst.
Und höre in diesen Momenten nicht auf die drohenden Worte deines Partners. Es geht um deinen Körper und deine Seele  - die ein toxischer Mensch dir zerstören möchte, der dich nicht liebt!

3. Warum ich beim Orthopäden gelogen habe (Vermeide diesen Fehler)

Am nächsten Tag bin ich zum Arzt. Mein Hals war noch immer steif, ich konnte ihn nicht nach links bewegen. Er schmerzte fürchterlich. Ich hatte totale Panik. Ich bin bis zu diesem Zeitpunkt nie zum Arzt hin, wenn ich blaue Flecken von Robert hatte. Ich bin nur deshalb zum Arzt hin, weil ich dieses Mal Angst hatte, dass ich bleibende Schäden davon trage.

Ich habe der Allgemeinmedizinerin erzählt, was passiert ist. Das wir uns gestritten haben, Robert mich mit einer Wucht schubste, ich kopfüber über die Couch rollte und am Boden aufgeprallt bin. Sie hat erschrocken und dabei sehr mitfühlend geschaut und mich zu einem Orthopäden geschickt.

Dort angekommen, wurde ich vorne an der Rezeption direkt gefragt: "War das mit Absicht oder ist das Spaß gewesen und dann dumm gelaufen?"

Was glaubst du, habe ich geantwortet?

Aus lauter Angst vor Konsequenzen vor Robert habe ich gelogen. Ich habe gesagt, dass er mich aus Spaß geschubst und ich dabei dann aus Versehen auf den Boden geprallt bin.

Die Frau schaute mir in die Augen und bitterernst dabei an. Aber ich traute mich nicht, ihr gegenüber die Wahrheit zu sagen. Meine Angst war zu groß davor, dass sie mich zu einer Anzeige drängt. Wer weiß, was Robert dann als Nächstes mit mir macht?
Ich schämte mich und gleichzeitig hatte ich Roberts drohende Stimme im Kopf.

Der Orthopäde untersuchte mich. "Sie haben ein Trauma, ist wie bei einem Unfall. Ich verschreibe ihnen ein Schmerzmittel. Gute Besserung und Tschüss." Das war's. Und innerhalb gefühlten zwei Minuten war ich auch schon wieder draußen aus der Praxis.

Ich fühlte mich schrecklich. Noch total unter Schock vom Vortag bin ich danach zu Robert gefahren. Ich fühlte mich gezwungen zu ihm zu gehen, obwohl mein Inneres sich dagegen sträubte.

Ich habe Robert erzählt, dass ich beim Arzt auf die Frage mit "Spaß" geantwortet habe. Mein Ziel war es, dass er erkannte: "Ich habe wirklich Mist gebaut und werde das wiedergutmachen."
Aber seine Antwort war kurz und drohend zugleich: "Will ich ja auch hoffen!"

4. Warum ich trotzdem nicht gegangen bin

Ich war fertig.
Es dauerte Wochen, bis ich meinen Hals wieder nach links drehen konnte.

Robert beschimpfte mich jedes mal, wenn ich beim Anschnallen des Autogurtes vor Schmerz das Gesicht verzerrte.

Ich weiß nicht wie viele blaue Flecken ich während dieser Beziehung hatte. Im Sommer versuchte ich sie so gut es zu verstecken. 

Vor seiner Schwester sagte er einmal laut zu mir: "Du hast voll die empfindliche Haut, ich habe dich nur einmal kurz gepiekst und schon läuft deine Haut blau an."

Leider wusste niemand die Wahrheit.

Ich weiß, wie es ist, wenn man niemanden mehr hat und man sich keinem anvertrauen kann. Anfangs als ich es körperlich noch geschafft habe, abzuhauen, habe ich mit zittrigen Händen darüber nachgedacht, die Polizei anzurufen.

Doch ich hatte Angst, dass die Polizisten Robert mehr glauben wird als mir.
Denn er konnte die Menschen schon immer sehr gut von seinen Worten überzeugen.

Ich habe mir so oft gewünscht, dass ein Nachbar die Polizei ruft. Das endlich jemand aus dem Haus sagt, was er gehört und mitbekommen hat.
Ich hatte wirklich oft Angst in seiner Wohnung, habe geschrien, Robert hat mir den Mund zugehalten.

Sogar im Treppenhaus hat er mich mit Gewalt an die Wand gedrückt, als ich vor lauter Angst wieder gehen wollte... und seine Augen dabei... ich will gar nicht daran denken.
Leider hat bis auf einmal nie jemand die Polizei gerufen.

Und trotzdem bin ich bei Robert geblieben.
Jeder, der körperliche Gewalt nie erlebt hat, würde jetzt sagen: Wie dumm und blöd kann man nur sein.
Ja, so habe ich vor vielen Jahren auch mal gedacht. Bis ich es selbst erlebt habe.

4.1 Das waren meine Fehler

Ich habe mich an den schönen Momenten festgehalten. Die winzig kleinen schönen Momente. Aus denen ich meine Kraft schöpfte. Ich war süchtig. Wie eine Drogenabhängige.

Bei jedem Streit wusste ich: Ich muss weg von ihm. So schnell ich kann.

Nach jeder Versöhnung dachte ich: Robert liebt mich, er meint es nicht so. Er hat viele Probleme in der Arbeit und früher vieles mitgemacht. Ich muss ihm noch mehr helfen und dann wird unsere Beziehung endlich gut.  


Irgendwann hat Robert damit aufgehört mich zu schlagen - ein paar Wochen vor der Verlobung. Heute weiß ich warum. 

Obwohl dann knapp über 1 Jahr Ruhe mit körperlicher Gewalt war, saßen die Wunden bei mir sehr tief. Ich hatte ständig Angst davor etwas falsch zu machen und versuchte, wo immer ich konnte alles zu tun, damit Robert ja nie ausrastet und mich wieder schlägt.

Die Manipulationen, Erniedrigungen, Ignoranz gingen jedoch weiter bis zum endgültigen Schluss unserer Beziehung. 

Bis heute - obwohl ich die schlimmste Beziehung meines Lebens längst alles verarbeitet, vergeben habe und innerlich frei bin - habe ich Panik davor, dass jemand mit seiner Hand gegen meinen Hals drückt. Dabei ist die Beziehung bereits 2017 endgültig geendet. Und noch oft ertappe ich mich dabei, wie ich meine Hand an den Hals halte, um zu prüfen, dass niemand dagegen drückt. Ich weiß nicht, warum ich das tue, mir wendet niemand Gewalt mehr an, aber es gibt mir die Sicherheit von Kontrolle in dem Moment zu wissen, dass es meine Hand ist. Ich massiere dann meinen Hals sanft und streiche darüber und bekomme dadurch gefühlt besser Luft. Irgendwie beruhigt es mich.

5. Ich werde auch geschlagen, komme aber nicht von ihm los (Empfehlung)

Vielleicht geht es dir auch so, dass du (noch) glaubst, dass dein Partner sich ändern wird. Das zum Schluss doch alles gut wird. Oder glaubst tief im Inneren, dass er dich liebt, es aber nicht zeigen kann.

Solange du nicht den Entschluss fast, zu gehen, wird es so weiterlaufen wie bisher. Auch wenn dein Partner aufhört dich zu schlagen aber dich weiter manipuliert, demütigt und dich wie der letzte Dreck behandelt, gehe. Auch bei Hoovering vom Narzisst.

Solange dein Partner sich keine Hilfe holt (die allerwenigsten Narzissten tun das) und sich selbst nicht ändert, nimm deine zwei Beine und renne so schnell du kannst.

Vielleicht wurdest du von deinem narzisstischen Partner nie geschlagen. Es ist auch nicht jeder Narzisst gewalttätig. Verlasse den Mann, der dich nur aussaugt und dir alles nimmt. Gehe. Ein Narzisst kann dein ganzes Leben zerstören. Lass es nicht so weit kommen.

Wenn der Mann, der dich eigentlich beschützen sollte, plötzlich zuschlägt - es bricht die Welt zusammen. Gehe und mache ein Ende mit dieser Beziehung. Glaube mir, es erspart dir so unendlich viel.

Spreche mit jemandem über das Erlebte. Alles was du erlitten hast, muss aus dir raus. Wichtig dabei ist, dass du dich bei dieser Person wohl fühlst. Egal ob es sich dabei um eine gute Freundin, Seelsorge oder Psychologe handelt.
Bitte niemand anvertrauen, der/die Kontakt zu deinem Partner hat. Das kann gewaltig nach hinten losgehen.
Vor allem aber empfehle ich dir, dir professionelle Hilfe zu holen. Natürlich ist das nicht immer nötig, und ja man kann es auch allein schaffen. Mit Hilfe kann es aber sehr viel schneller voran gehen 🙂

Heile deine seelischen Verletzungen - Schritt für Schritt. Es ist essentiell, dass du das Erlebte verarbeiten und loslassen kannst.

Und dann wirst du frei werden, glücklich sein. Für immer.
Schlussendlich hat mich diese Beziehung stark gemacht. Es geht mir heute, nachdem ich die Beziehung verarbeitet und an mir selbst gearbeitet habe so gut wie nie zuvor.

Mittlerweile ist es mir sowas von egal, was andere über mich denken. Ich muss niemanden gefallen und brauche mich für niemanden zu verstellen. Ich darf ich sein. Und das ist pure (innere) Freiheit. Die ich für keinen Menschen dieser Welt mehr aufgebe.
Das wünsche ich dir auch. Von Herzen.

Was sind die Auslöser, weswegen du geschlagen wirst/wurdest?
Was geht dir in diesen Situationen im Kopf vor? Hast du deinen Partner angezeigt? Wenn nein, welche Angst hindert dich (noch) daran, Anzeige zu erstatten?

Schreibe deine Erfahrung gerne in die Kommentare. Damit hilfst du anderen Betroffenen zu verstehen, dass sie ebenfalls nicht alleine in der Situation sind.